(Triggerwarnung: traumatische Geburt/Gewalt unter der Geburt. Bitte schütze dich und ließ nicht weiter, sollte dieses Thema dich zu sehr belasten).

“Wir feierten jede Wehe!” sagt meine Mutter über meine Geburt. Ich wurde Zuhause geboren, meine Mutter war begleitet durch meinen Vater und ihre Hebamme, die sie schon in der Schwangerschaft betreute. Den Erzählungen nach muss es eine natürliche und friedliche Geburt gewesen sein. “Wir hatten einfach Zeit”, sagt meine Mutter noch.

Für mich sind eine Hausgeburt, das Familienbett, das Stillen das natürlichste der Welt, da es in meiner Familie gelebt und kommuniziert wurde. Als ich mit unserem ersten Kind schwanger wurde, war ich leider trotzdem so geblendet und verunsichert, an wen ich mich jetzt zu wenden hatte und ob man wirklich eine Hebamme braucht…

Ich informierte mich lange nicht über mögliche Geburtsorte o.ä. und suchte demnach auch erst eine Hebamme, als ich dringend Hilfe brauchte. In mir herrschte das große Bedürfnis vor, einfach schwanger sein zu dürfen, ohne Termindruck. Es wird schon alles gut werden. Mehr Gefühl, weniger Kontrolle.

Da mein erstes Kind zu früh zur Welt kam, war das Drumherum beängstigend und traurig. Ich fühlte mich haltlos, als würde ich ohne Hülle herum laufen, nebliger Dunst. Es gab keinen physischen Auslöser für die frühe Geburt. Heute glaube ich, es war eine sich selbst erfüllende Prophezeiung.

Die Geburt selbst aber, ließ mich einen Hauch von dem erkennen, was in mir stecken muss. Zu welcher Kraft ich fähig bin. Zu welcher Konzentration. Es war eine interventions- und schmerzarme Geburt, welche mich mit Stolz und Ehrfurcht erfüllt. Doch die grelle Umgebung des Kreißsaals, die vielen wechselnden fremden Personen und ungefragten Untersuchungen störten meinen Geist. Es muss noch mehr geben, ich bin zu Größerem fähig. Und so war für mich schon kurz nach meiner ersten Geburt klar, ein nächstes Baby würde Zuhause zur Welt kommen. (Wie es dann anders kam und was ich daraus wertvolles gelernt habe, kannst du hier nach lesen.)

Was, wenn ich keine Hebamme finde?!

Und jetzt fällt es mir schwer, weiter zu schreiben. Es fällt mir schwer Worte zu finden, für das was in Deutschland in der Geburtshilfe passiert.

Ich versuche es von vorne. Vor meiner erneuten Schwangerschaft las und sprach ich viel über die miserable Situation der Hebammen und was das für werdende Mütter und Familien bedeutet. Ich überlegte an den Erzählcafés teilzunehmen und die Hebammen vor Ort anszusprechen.

Ich tat es nicht. Ich war so beschäftigt und eingenommen von meinem Baby, die traumatisierende Klinikzeit zu verarbeiten, in die neue Familien- und Paarkonstellation hineinzufinden. Später die schlaflosen Zahnungsnächte und Zombietage im Pyjama… Das soll keine Rechtfertigung sein, doch ich frage mich, geht es vielleicht vielen Frauen so? Sind frische Mamas einfach unglaublich beschäftigt mit ihrem neuen Leben, dass sie nicht in der Lage sind, für ihre Rechte und die der Hebammen einzustehen?

So vielen Familien und Frauen ist vor einer Geburt nicht klar, warum ausreichend besetzte Kreissäle und (Hausgeburts-)Hebammen so wichtig sind. Sie begeben sich in vollstem Vertrauen und vielleicht auch etwas Naivität mit wenig Hintergrundwissen in ein Krankenhaus, weil das eben heute und hier so gemacht wird. In einem Krankenhaus liegt der Schwerpunkt auf der Krankheit. Ärzt*innen sind dazu ausgebildet, vom Risiko auszugehen, um im Notfall intervenieren zu können. Auch während einer Geburt, die an sich ein natürlichen Vorgang ist und zunächst kein Risiko darstellt. Da mir keine Statistik vorliegt, kann ich nicht behaupten kein*e Ärzt*in – doch ich behaupte kaum ein*e Ärzt*in, welche*r in der Geburtshilfe arbeitet, hat jemals eine völlig natürliche, interventionsfreie und ausschließlich von der Gebärenden geleitete Geburt erlebt. Allein, dass eine Gebärende sich im Krankenhaus und nicht an einem ihr vertrauten Ort befindet, kann diesen Prozess schon stören (näher beschrieben in ‘Die selbstbestimmte Geburt-Ina May Gaskin oder ‘Das Hypnobirthing Buch-Marie F. Mongan).

I don’t care what kind of birth you have…a homebirth, scheduled cesarean, epidural hospital birth, or if you birth alone in the woods next to a baby deer. I care that you had options and your choices were respectet.

January Harshe | birthwithoutfearblog.com

Müssen wir jetzt wieder unsere BH’S verbrennen?

Und dann hielt ich den positiven Test in der Hand. Nach dem ersten und zweiten Schock und den Armen meines Mannes, war mein lautester Gedanke: Eine Hebamme! Ich brauche eine Hebamme!

Durch die unfassbar hohen Haftpflichtprämien sind viele Hebammen, nicht nur in der Hausgeburtshilfe, gezwungen, ihren Beruf aufzugeben. Ganze Geburtsstationen schließen, es herrscht eine wachsende Unterversorgung an Geburtsbegleiterinnen und Wochenbettbetreuung.

Ich telefonierte und telefonierte. Und telefonierte. Viele gab es nicht mehr in meiner Region, welche eine Hausgeburt betreuen würden. Viele konnten es sich nicht leisten, die hohen Versicherungsbeiträge zu zahlen, für die wenigen Frauen, für die sie Kapazitäten hätten. Mit jedem Namen, den ich auf meiner Liste durchstrich,  spürte ich die Verzweiflung und Hilflosigkeit wachsen. Die Angst vor einer Klinikgeburt, die für mich persönlich alles andere als Sicherheit bedeutete. Denn auch ich bekam die wachsende Unterversorgung der klinischen Geburtshilfe bereits bei meiner ersten Geburt zu spüren. Die ersten 4 – in Worten v i e r – Stunden der Geburt meines großen Kindes, verbrachte ich wehenveratmend im Wartezimmer des Kreißsaals, zwischen Stühlen und Klatschzeitschriften. Ohne eine Hebamme oder eine*n Ärzt*in gesprochen zu haben. Sie hatten keine Zeit. Das klingt zunächst zwar nicht weiter dramatisch, wenn auch etwas unbequem. Doch ich war in der 32. Schwangerschaftswoche und es war unvorhersehbar, wie unser unreifes Baby die Geburt verkraften würde. Der Kreißsaal voll bis unter das Dach mit gebärenden Frauen und das Geburtshilfe-Team hoffnungslos unterbesetzt.

Am größten aber wurde meine Wut. Ich sollte also nicht selbst entscheiden können, wo und wie ich gebären möchte, weil mich keine Hebamme begleiten konnte?! Mir wurde schonungslos bewusst:

Hierbei geht es um nichts weniger als Existenzen und Frauenrechte!

Die Urkraft der Frauen

Ich steige noch nicht ganz dahinter, was in der Politik vor sich geht, dass sie die Geburtshilfe so ins offene Messer rasen lassen. Vielleicht klingt folgendes arg nach Verschwörungstheorie. Doch ich glaube auch, die Urkräfte einer Frau sind beängstigend. Sie sind unkalkulierbar und lassen keine statistisch auswertbaren Normberechnung zu. Es passt (immer noch) nicht zu dem Rollenbild unserer Gesellschaft, einer Frau vollstes Vertrauen zu schenken und ihr Kräfte zuzusprechen, die kein Mensch in Worten einfangen kann. Geburt ist nicht nur ein physischer Vorgang. Geburt ist unglaublich beeinflusst von unserer Psyche, unseren Empfindungen, unserem Mindset. Das ist nicht zu ändern, auch wenn man noch so wenig von diesem spirituellen Gequatsche hält.

We are the granddaughters of the witches you weren’t able to burn.

– Unkown

Ich kenne Frauen, denen unter Vollnarkose das Baby heraus gezogen wurde. Frauen, denen gesagt wurde, dein Körper kann dein Baby nicht zur Welt bringen. Frauen, denen verboten wurde, zur Toilette zu gehen. Die angehalten wurden, sich in die denkbar ungünstigste Geburtsposition zu begeben, die Rückenlage. Aus Unwissenheit oder Bequemlichkeit? Frauen, denen verboten wurde zu stillen. Frauen, die ab dem Tag der Entlassung allein mit ihrem Baby waren, ohne Hebammenhilfe. Aber das war vor 50 Jahren. Oder…?

Es passieren Fehler in der Geburtshilfe. Durch wenig Personal, das unter Zeit- und finanziellem Druck steht. Die körperliche und emotionale Unversehrtheit der Frau steht nicht mehr immer an erster Stelle. Hierfür gibt es am 25. November 2016 wieder den Roses Revolution Day. Frauen, die Gewalt unter der Geburt erlitten haben, legen Rosen und Briefe vor die Geburtskliniken, in denen ihnen selbiges widerfahren ist. Um Aufmerksamkeit zu schaffen.

Was du demnach beachten solltest, wenn du eine Hebamme suchst:

  • Zuerst gilt, sobald du von deiner Schwangerschaft erfährst, mach dich auf die Suche nach einer Hebamme. Ganz gleich, ob für die Vorsorge, einen Geburtsvorbereitungskurs, eine Haus- oder Beleggeburt, die Wochenbettbetreuung oder den Rückbildungskurs. Beginne gestern mit der Suche!
  • Informiere dich über deine Möglichkeitenund überlege dir, an welchem Ort deine Vorsorge und deine Geburt ablaufen soll. Du entscheidest, wann du dich welchen Untersuchungen unterziehst. Du entscheidest, wie deine Geburt sein wird, ob zuhause oder in der Klinik, ob vaginal oder Sectio (um nur wenige Möglichkeiten zu nennen). Verfasse einen Geburtsplan.
  • Erwäge die Möglichkeit, “nicht alles aus einer Hand” zu bekommen. Anfangs wünschte ich mir auch für die Vorsorge über die Geburt bis ins Wochenbett eine Hebamme. Mittlerweile hatten wir bereits einen Wechsel und auch unsere Wochenbett-Hebamme wird eine andere sein, als die, die uns unter der Geburt betreut. Wir sind sehr zufrieden, denn das wichtigste ist, dass “die Chemie stimmt” und eure Vorstellungen und Überzeugungen ernst genommen werden.
  • Wenn du keine Hebamme findest, wende dich an Mother Hood e.V. oder eine andere Organisation (siehe unten), welche sich für Hebammen und Familien einsetzt. Denn auch wenn sie dir wahrscheinlich keine Hebamme vermitteln können, ist es trotzdem wichtig, öffentlich zu machen, wie die Unterversorgung stetig wächst und die Geburtshilfe immer unsicherer wird.

Mittlerweile haben wir eine Hausgeburtshebamme gefunden. Die einzige, die in einem Umkreis von etwa 80 km Kapazitäten für uns hatte. Welches Glück, dass wir so gut harmonieren. Und doch treffen wir wieder auf Hürden der Wahlfreiheit, denn die Hausgeburt ist auf dem besten Weg eine Privatleistung zu werden. Die Krankenkassen übernehmen üblicherweise um die 250€ Pauschale für eine Hausgeburt. Dazu müssen viele Hebammen hohe Beiträge von den Familien verlangen,  um für ihre Leistungen nicht leer auszugehen, denn sie zahlen unverhältnismäßig hohe Versicherungsbeiträge im Jahr.

Dieser Text ist noch lange nicht fertig und wird es auch nie sein. Denn dieses Thema nimmt ungeahnte Ausmaße an. Es wiegt so schwer, das ist nicht in einen Blogtext zu packen. Deshalb schwebt mir ein weiterer Artikel vor ‘Geschichte der Geburtshilfe’. vielleicht sogar in mehreren Teilen..?

Wehre dich. Kehre zurück in die Selbstermächtigung und übernehme Verantwortung für dich selbst. Du entscheidest, wie deine Schwangerschaft und Geburt verlaufen wird. Informiere dich! Sei es dir wert. Denn es ist nicht egal, wie wir geboren werden.

Wünschst du dir weitere Informationen und Unterstützung auf deinem Weg in die Selbstermächtigung und Selbstverantwortung? Melde dich gern. Ich freue mich auf dich ♡

Hochachtungsvoll vor jeder einzelnen Mutter, eure Jana

Weiterführende Links:

Hebammenunterstützung

Unsere Hebammen – Landkarte der Unterversorgung

Mother Hood e.V. – Eltern fordern sichere Geburten

Hebammenverband

Hebammenunterstützung

Gerechte Geburt – Roses Revolution 

Blogs und Artikel

Aber Wehe – Blog mit vielen interessanten Artikeln zum Thema.

Geborgen Wachsen – Warum ein Klick und ein Pappschild nicht mehr reichen.

Von guten Eltern – Warum die Wahl des Geburtsortes wichtige ist als die Farbe des Kinderwagens… Auch hier findet ihr weitere interessante Artikel einer Hebamme zum Thema.

Nora Imlau über die Rückenlage unter der Geburt und Gewalt unter der Geburt.

Nina Winner bietet eine große Auswahl an stärkenden Affirmationen, Audios und Blogartikeln.

Auf dem Hebammen Blog von Jana findet ihr viele wichtige Artikel zum Thema, z.B. Tipps für die Hebammesuche.


Tanja von Herzbauchwerk über den Unterschied zwischen Gebären und Entbunden werden weitere Beiträge zum Thema auf ihrem Blog!

Susanne von Meine Traumgeburt bietet unzählige wertvolle und informative Artikel zum Thema.

Auf dem Blog Urnaturaen findet ihr ebenfalls einige Beiträge zur selbstbestimmten Geburtskultur.

Ein Beitrag von Motherbirth über die ausschließliche Vorsorge bei einer Hebamme. Weitere empfehlenswerte Artikel!

Julie beschreibt ihre Gedanken und Erfahrungen zur Hebamme Situation als Mama von Zwillingen.

Jil lässt hier in ihren Geburtsplan für einen Kaiserschnitt einblicken und erklärt, warum das so wichtig sein kann.

Johanna stellt eine Momentaufnahme der Geburtshilfe in Deutschland vor.

Bücher

Sarah Schmid – Alleingeburt

Jobina Schenk – Meisterin der Geburt

Ina May Gaskin – Die selbstbestimmte Geburt

Marie F. Mongan – Das Hypnobirthing Buch

Alfred Rockenschaub – Gebären ohne Aberglaube

Nora Imlau – Das Geburtsbuch

5 Kommentare

  1. Veröffentlich von Mupfmama Johanna am Mai 3, 2017 um 7:31 pm

    Liebe Jana,
    mein Blog ist umgezogen. Den Artikel mit der Momentaufnahme der Geburtshilfe findest du nun hier:
    https://www.elternkram.blog/2016/09/30/geburtshilfe-eine-momentaufnahme/

    Viele Grüße,
    Johanna

    • Veröffentlich von fraubirnbaum am Mai 6, 2017 um 6:41 pm

      Danke! Ich korrigiere das 🙂

  2. […] Hausgeburt hatte ich uns gewünscht. Vielleicht sogar idealisiert. Dachte, ich müsse es schaffen so zu […]

  3. […] meinem Artikel „Was wenn ich keine Hebamme finde – über Existenzen und Frauenrechte“, in dem ich mich mit der aktuellen Situation der Geburtshilfe in Deutschland beschäftige, gab es […]

  4. […] Hausgeburt hatte ich uns gewünscht. Vielleicht sogar idealisiert. Dachte, ich müsse es schaffen so zu […]

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